Am 1. Mai, dem Internationalen Tag der Arbeit, nahm Augusto Boal noch an einer Solidaritätswache für den weltweiten Kampf der ArbeiterInnen teil, in den frühen Morgenstunden des 2. Mai starb er im Samaritano-Spital in Rio de Janeiro, an Leukämie. Sein Freund, der argentinische Autor Ariel Dorfman, trat in einem Nachruf dieser „Falschmeldung“ sofort entgegen: „Ich versichere, dass Boal unglaublich lebendig und ebenso elastisch ist wie eh und je. Sein Tod ist unsichtbar, denn er lebt in Tausenden und Abertausenden Männern, Frauen und Kindern, die in seinen Werken, seinen Worten, in seinem Leben die Inspiration fanden, sich selbst zu sehr sichtbaren Protagonisten ihres eigenen Lebens zu machen.“
Selten hat ein Dramaturg und Regisseur, ein politischer obendrein, um den ganzen Globus herum derart tiefe und bleibende Auswirkungen im Leben vieler Menschen hinterlassen wie der Brasilianer Augusto Boal. In den 1960er Jahren entwickelte er in seiner Heimat das später als „Theater der Unterdrückten“ bekannt gewordene Konzept eines politischen Theaters, einen radikalen Gegenentwurf zum vorherrschenden Theater des Bildungsbürgertums, der Hochkultur. Ein Theater, das sich an Ausgegrenzte aller Gesellschaften, an Unterdrückte, Benachteiligte, Stimmlose wendet, um ihnen eine Stimme, eine Identität, eine politische Positionierung zu geben.
Boals Buch vom „Theater der Unterdrückten“ erschien 1979 in Deutschland und wurde seither in rund 50.000 Exemplaren verkauft; weltweit wurde es in 25 Sprachen übersetzt.
Unermüdlich reiste Boal um die Welt, um interessierten Menschen in Workshops die Grundzüge seiner politischen Theaterpädagogik näher zu bringen. Die „Forumtheater-Gruppen“ schießen wie Pilze aus dem Boden. Auch in Österreich wächst seine Fangemeinde, und immer wieder kehrt er hierher zurück, unterrichtet, hält Veranstaltungen – und spricht mit Journalisten … 1994 bildet ein langes Interview mit dem brasilianischen Theaterrevolutionär die Titelgeschichte des Südwind-Magazins, das auch später sein Werken und Wirken publizistisch verfolgt.
Zuletzt besuchte Augusto Boal im April des Vorjahres Österreich, eingeladen vom Justizministerium, und hielt einen Workshop für RichterInnen und StaatsanwältInnen über das Theater als Ort der Befreiung (SWM 5/08). Damals begleitete ihn auch sein Sohn Julian, der in Frankreich zur Welt kam – wohin sein Vater vor der brasilianischen Militärdiktatur geflüchtet war – und auch heute noch dort lebt und das Theater der Unterdrückten weiterentwickelt.
Im Oktober desselben Jahres brachte das Südwind-Magazin eine Reportage über die Auswirkungen des Theaters der Unterdrückten (TdÜ) in Indien, wo es zu einer richtigen Massenbewegung wurde.
Im Spätherbst dieses Jahres findet in ganz Österreich ein Festival von Forumtheater-Gruppen statt, und zwar vom 22. bis 26. Oktober in Wien, Tirol, Salzburg, Kärnten und Oberösterreich und dann vom 27. Oktober bis 1. November zentral in Graz. Augusto Boal wird im Geiste und in der Arbeit der Anwesenden sicherlich so präsent sein wie eh und je.
Nähere Informationen dazu und Anmeldungen auf
www.weltforumtheaterfestival.at